Ohne Buchdruck keine Reformation (4)

Ein späterer Druck der 95 Thesen auf Deutsch (Wikimedia Commons-Lizenz)

Die Reformation war auch ein Medienereignis. Denn Gutenbergs neue Drucktechnik, mit beweglichen Lettern anstelle fester Druckstöcke, hat die Reformation unendlich beflügelt. Ebenso hat umgekehrt die Reformation der 75 Jahre alten Erfindung Gutenbergs plötzlich millionenfache Druckauflagen geschenkt.

Luthers 95 Thesen, 1521 zunächst in kleiner Auflage an den Erzbischof von Mainz und andere ausgesuchte Personen persönlich geschickt, wurden schon bald ungefragt in hoher Auflage nachgedruckt. Das Neue Testament, das Luther 1522 auf der Wartburg übersetzt hatte, war in einer Auflage von 3000 noch im selben Jahr vergriffen. Gedruckt wurden damals nicht nur einzelne Bücher, sondern Flugschriften aller Art, darunter auch Ablassbriefe und allerlei Traktate. Allein von den verschiedenen Reformatoren sollen im Jahr 1524 etwa 2.400 Flugschriften in ungefähr 2,4 Millionen Exemplaren erschienen sein. 

Virale Kommunikation schon im 16. Jahrhundert

Vertrieben wurden Flugblätter insbesondere auf Märkten und in Wirtshäusern, wo die Händler der Schriften die Schlagzeilen und Teile des Inhalts ausgerufen und gesungen haben. Da die meisten Menschen Anfang des 16. Jahrhunderts nicht lesen konnten, erfuhren auf diese Weise breite Teile der Bevölkerung auch die neuesten Nachrichten aus Wittenberg.  Ein viraler Effekt wie wir ihn heute in den Sozialen Medien kennen, setzte damals schon ein. Voraussetzung damals wie heute: Der Inhalt muss die Menschen aufregen.

Aus Luthers Tischreden ist dieser Ausspruch überliefert: „Die hohen Wohltaten der Buchdruckerei sind mit Worten nicht auszusprechen. Durch sie wird die Heilige Schrift in allen Zungen und Sprachen eröffnet und ausgebreitet, durch sie werden alle Künste und Wissenschaften erhalten, gemehrt und auf unsere Nachkommen fortgepflanzt.“ Er selbst wurde auch berühmt, denn sein Portrait zierte viele seiner Druckausgaben. Sie gaben der Reformation gleichsam ein Gesicht, Luthers Gesicht.

Luthers Druckauflagen haben die deutsche Sprache geprägt

Ein Drittel aller Druckschriften zu Luthers Zeiten waren seine Bibelausgabe. Von der 1534 erschienenen Gesamtausgabe wurden bis zu Luthers Tod mehr als 100.000 Exemplare verkauft. Durch die sehr hohen Auflagen von Luthers Schriften setzte sich das Lutherdeutsch als Standard in der Schriftsprache durch. Seine Regel war: „Man muss nicht die Buchstaben in lateinischer Sprache fragen, wie man soll deutsch reden, sondern man muss die Mutter im Hause, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und danach dolmetschen, so verstehen sie es denn.“ 

Kommunikation ist dann erfolgreich, wenn viele darüber reden

Was wäre aus den Gedanken der Reformatoren ohne die neue Drucktechnik geworden? Vielleicht eine aufregende Episode in der Geschichte der römischen Kirche. Martin Luther hat die modernste Kommunikationstechnik genutzt. Heute würde er vermutlich twittern. Kommunikationsforscher sagen: Eine Kommunikation ist dann erfolgreich, wenn viele darüber reden. Die Medien sind nur das Mittel dazu. Über Luther haben Millionen geredet. Was er zu sagen hatte, war skandalös, traf einen Nerv der Zeit, brachte Dinge in Bewegung. Ohne die neue Drucktechnik hätte es die Reformation so nicht gegeben.

Autor:
Hans Genthe
Redakteur dieser Internetseite
hans.genthe@evangelischer-bund.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert