EU als starkes Fundament für die Kirchen

 

Michael Bünker, früherer Generalsekretär des GEKE zeigt den Tagungsteilnehmern Wien

Forum Junge Theologie in Europa tagte in Wien

Mit viel Lob und frischem Schwung blicken 22 junge Theologinnen und Pastoren aus 12 Ländern auf eine erlebnisreiche Tagung der Jungen Theologie in Wien im Mai 2022 zurück. Dabei klingt das Thema eher schwierig: „Protestantismus zwischen Nationalismus und Kosmopolitismus”. Gibt es denn Nationalismus in der evangelischen Kirche? “Ja”, sagt Volkmar Ortmann, Privatdozent für Kirchengeschichte aus Gießen. 

„Die Protestanten sind nämlich nicht überall so weltoffen, wie sie sich gern geben.“ Das habe viel mit den jeweiligen geschichtlichen Entwicklungen zu tun. Ortmann, der diese Tagung des Evangelischen Bundes Hessen zusammen mit europäischen Partnern organisiert hat, weiß, dass der Protestantismus in Europa viele eigene Traditionen zeigt, bis hin zu nationalistischen Strömungen. „Aber“, ergänzt seine Kollegin Mirjam Sauer, „Sprache, Nationalität und Identität gehören natürlich eng zusammen,“. So fänden evangelische Minderheiten wie in Siebenbürgen Kraft durch ihre kulturelle Prägung mit einer eigenen Identität. 

Und weil Identität noch lange kein Nationalismus ist, hat das Tagungsteam den Begriff „toxischer Nationalismus“ entwickelt und ihn von „nationaler Identität“ abgegrenzt: “Wir können nichts dafür, sagt Anna Lerch aus der Schweiz, “wo wir geboren sind, welche Sprache wir zuerst gelernt haben und welche Tracht wir bei Festen tragen”, aber sie würde sagen, dass wir dafür verantwortlich sind, dass diese gesunde „nationale Identität“ nicht toxisch wird.

Starke persönliche Eindrücke

Lawrence Urbain aus Belgien, einem Land mit vielen nationalistischen politischen Problemen, hat auf der Konferenz gelernt, dass es möglich ist, seine eigene Identität, also Kultur, Sprache, Nationalität und Geschlecht oder sexuelle Orientierung, zu bewahren, „ohne sich gegenseitig auszuschließen“. Mit nach Hause nähme er die Idee, dass die protestantischen Kirchen trotz ihrer Unterschiede in der Vielfalt vereint sind.

Juliette Marchet aus dem Elsaß war überrascht, wie leicht es war, mit Menschen aus anderen Kulturen und Theologien zu diskutieren. “Auf der einen Seite bin ich stolz auf meine Kirche und auf der anderen Seite fühle ich mich europäischer als zuvor.” Jetzt sei sie bereit, das Thema des Nationalismus in ihrer Kirche in Elsaß-Lothringen anzusprechen.

Vittorio Secco aus der kleinen italienischen Waldenserkirche fand es besonders hilfreich, “das Thema durch die Brille einer Minderheitenkirche zu durchdenken”. Und die Dänin Anna Ravn war sehr beeindruckt von der Tatsache, dass 22 verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Kulturen und Hintergründen in der Lage waren, “in so kurzer Zeit so viel miteinander zu verbinden”. 

Als ihr persönliches Tagungsergebnis schrieben einige Teilnehmer Sätze wie diese: “Wir müssen mehr mit anderen protestantischen Kirchen zusammenarbeiten, besonders in der kommenden Zeit. Europa steht auf dem Prüfstand, und das gilt auch für die Kirchen.“ Eine andere Person schrieb: „Besonders gefallen hat mir die Gemeinschaft unter den Teilnehmern. Es war eine großartige Zeit, um sich gegenseitig kennenzulernen, die Vielfalt der protestantischen Kirchen in Europa, was wir gemeinsam haben und was nicht.“ Und eine dritte Stimme mahnte: „Deshalb denke ich, dass dies ein Thema ist, an dem wir weiterarbeiten müssen.“ 

Die Junge Theologie trifft sich online und 2023 in Siebenbürgen

Im Forum Junge Theologie des Evangelischen Bundes Hessen tauschen sich bereits seit November 2021 junge protestantische Theologinnen und Theologen online in einer Digital Academy aus. Zurzeit werden die Tagungsergebnisse zusammengetragen. Dazu zählen Unterrichtsmaterial, ein Lied zum Thema und eine Liste von Bibelstellen, die sich für Predigten zum Themenkomplex um Nationalismus und Weltoffenheit eignen. Die Teilnehmenden haben dazu neun Thesen einer inklusiven Identität in Christus aufgestellt. Der Evangelische Bund hat den Teilnehmenden eine Internet-Cloud zur Verfügung gestellt, wo sie ihre Ergebnisse sammeln und bearbeiten können.

Wichtiger Projektpartner des Evangelischen Bundes Hessen ist die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen und Europa (GEKE) mit Sitz in Wien, die die Tagung intensiv und mit großem Fachwissen sowie bester Lokalkenntnis begleitet hat. Als Termin für eine Folgetagung steht bereits der 12. bis 15. April 2023 in Siebenbürgen, im rumänischen Sibiu, fest. Dann lädt der andere Projektpartner, das Zentrum für Evangelische Theologie Ost (ZETO) nach Hermannstadt ein, Bis dahin will man sich, wie schon vor der Wien-Tagung, weiterhin per zoom in einer Digital Academy treffen und in einer WhatsApp-Gruppe verbunden bleiben. Die Europäische Union fördert den internationalen Austausch durch ihr Erasmus+ Programm und übernimmt einen größten Teil der Kosten.

Wieviel Schwung und wie viele neue Ideen die Teilnehmenden in ihre Kirchen und Länder zurückbringen fasst Asbjørn Lauridsen aus Dänemark so zusammen: „Die EU ist ein starkes Fundament, auf dem unsere Kirchen aufbauen können.“ Alle Informationen zum Projekt mit inhaltlichen Zusammenfassungen und Videomitschnitten der digitalen Vorlesungen zeigt die Internetseite www.junge-theologie.de. Die Seite kann in elf Sprachen gelesen werden.