Die aktuelle Ausgabe der Evangelischen Orientierung
Wahrheit oder Irrtum? So fragt die neue Ausgabe der Evangelischen Orientierung 3/2021. Schon das Titelblatt zeigt das Penrose-Dreieck, eine unmögliche Figur, bei der die Betrachter sich fragen: Ist das wahr? Das kann doch gar nicht sein! In verschiedenen Artikeln zu Glaube und Theologie geht es in unserem Mitgliedermagazin um Wahrheit oder Irrtum.
Verschwörungsmythen
Ist der christliche Glaube ein Verschwörungsmythos? So fragt Harald Lamprecht vom Evangelischen Bund Sachsen. Dass Religionen und Verschwörungsmythen immer mal wieder verglichen werden, das wundere den Spezialisten für Weltanschauungsfragen nicht, denn beide hätten eine wesentliche Funktion in der Kontingenzbewältigung. „Sie helfen, mental mit schicksalhaften Ereignissen umzugehen, die uns zu schaffen machen und keinen Sinn zu haben scheinen, wie zum Beispiel Unfälle, Katastrophen oder eben auch eine Pandemie.“
Die Frommen wie die Verschwörungsleute würden unterstellen, es gäbe eine Instanz, die „alles im Griff“ habe. Dort sehe man einen geheimen Plan, nach dem die Dinge ablaufen. So versicherten sich alle, dass die Welt nicht versinke. Allerdings solle man auch entscheidende Unterschiede zwischen Religionen und Verschwörungsmythen beachten: Bei Verschwörungsmythen sei der übermächtige Drahtzieher gerade kein Gott, sondern es werde unterstellt, dass Menschen dafür (wie für Corona) verantwortlich sind.
Verschwörer wollten immer Böses, schreibt Lamprecht. Das stecke in deren Definition. Eine geheime Absprache zum Guten bezeichne man nicht als Verschwörung, sonst wäre jede Geburtstagsüberraschung eine solche. Im Gegensatz dazu laute die Grundaussage des Christentums, dass Gott es gut mit uns meint. Schon im Schöpfungsbericht heiße es: „Siehe, es war sehr gut.“ Die Kernbotschaft des Christentums sei die Liebe Gottes zu den Menschen. Lamprecht meint, so gesehen, könne Religion sogar ein gewisser Schutz vor Verschwörungsglauben sein. Mehr Informationen zu Verschwörungsmythen und Verschwörungsglaube gibt es bei Confessio.
Irrtumslosigkeit der Bibel
Armin Baum schreibt über die lange Geschichte der „Irrtumslosigkeit“ der Bibel. Baum ist Professor für Neues Testament an der Freien Theologischen Hochschule Gießen. Pfarrerin Annette Kick greift ein Thema auf, das insbesondere in Nordamerika eine wichtige Rolle spielt: Die Originalschriften der Bibel seien als Ganze, bis hin zu den einzelnen Wörtern, direkt von Gott inspiriert. Aus der wörtlichen Inspiration der Schrift werde auf die „Irrtumslosigkeit“ aller ihrer Aussagen geschlossen.
Päpstliche Unfehlbarkeit
„Das Dogma der pästlichen Unfehlbarkeit von 1871 wirft bis heute seine langen Schatten“ schreibt Martin Bräuer. Der Catholicareferent im Konfessionskundlichen Institut des Evangelischen Bundes in Bensheim stellt gleich klar, dass die Form des feierlichen Lehramtes seit der Dogmatisierung der päpstlichen Unfehlbarkeit bis jetzt nur ein einziges Mal angewendet wurde, nämlich als Papst Pius XII. die „Leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel“ dogmatisierte.
Im Laufe der Jahre sei eine Aura der Unfehlbarkeit entstanden, ein Flair der Unantastbarkeit. Alles, was vom Papst kam, eventuell auch alles, was von der römischen Kurie kam, sei mit einer Aura der Unüberbietbarkeit, der Hingabe, eines religiösen Gehorsams verbunden worden, und das mache die Diskussion oft sehr schwierig. Äußere sich der Papst zu einem Thema im ordentlichen Lehramt, z. B. zur Frage der Empfängnisverhütung in der Enzyklika „Humanae vitae“ 1968, oder der Frauenordination in der Instruktion „Ordinatio sacerdotalis“ 1994, dürfe darüber eigentlich nicht mehr diskutiert werden. Auch wenn klar sei, dass der Papst dieses gar nicht als unfehlbar gesprochen hat.
Lügen und Gottesbeweise
Ist Lügen erlaubt? Fragt Rochus Leonhardt, Professor für Systematische Theologie in Leipzig. „In zahlreichen Alltagssituationen stellen wir uns die Frage, ob wir die ungeschminkte Wahrheit sagen sollten.“ Diese Frage tauche regelmäßig dann auf, wenn wir denken, dass uns eine kleine Lüge wahrscheinlich vor einem größeren Ärgernis schützen wird, ohne dass die Belogenen die Unwahrhaftigkeit allzu übel nehmen. Und Matthias Hilsmann geht der Frage nach, warum man Gott nicht beweisen kann. Er ist Dozent am Religionspädagogischen Institut Loccum.
Fake News und Wahrheit
„Fakten statt Fake News“ ist ein Interview mit der ZDF-Redakteurin Michaela Schmehl überschrieben. Vier Studierende geben eine Antwort auf die Frage: Was ist Wahrheit? Es folgen Berichte aus den Landesverbänden sowie Aktuelles aus dem Wolfgang-Sucker-Haus, dem Konfessionskundlichen Institut des Evangelischen Bundes in Bensheim. Und Richard Janus, der Generalsekretär des Evangelischen Bundes, berichtet über den Zukunftsprozess des Evangelischen Bundes. Er lädt dazu ein, den Weg des Evangelischen Bundes im 21. Jahrhundert mitzugestalten.
Evangelische Orientierung
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Hans Genthe
Autor dieses Artikels
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