Zweite Digital Academy

Junge Theologie in Europa auf dem Weg nach Hermannstadt

„Für uns als Protestanten ist es lebensnotwendig, an der Gemeinschaft teilzuhaben.“ Mit Sätzen wie diesen eröffnete der Theologe Adrian Schleifenbaum aus Gießen die zweite Digital Academy des Forums „Junge Theologie in Europa“. Nur durch die Teilnahme an kirchlichen und anderen sozialen Netzwerken könnten die Protestanten teilen, was sie haben, Neues lernen, das Leben feiern und letztlich ihre theologischen Erkenntnisse in die Praxis umsetzen. 

Auch Volkmar Ortman sagt: „Partizipation gehört zur DNA des Protestantismus“. Er leitet das Forum Junge Theologie in Europa und die sieben digitalen Vorlesungen von November bis Februar unter dem Thema von „Teilhabe und Protstantismus“. Ortmann ist Privatdozent an der Justus-Liebig Universität in Gießen und Mitglied im Vorstand des Evangelischen Bundes Hessen. Alle zwei Wochen trafen sich 20 überwiegend junge Theologinnen und Theologen aus verschiedenen europäischen Ländern und Kirchen per Zoom-Konferenz. 

Was Teilhabe alles bedeuten kann

Wie Partizipation als Wesensmerkmal protestantischer Kirchlichkeit in konkreten Zusammenhängen des Alltags in Gesellschaft und Gemeinde erlebt werden, stellte im Anschluss an den Theologen  Adrian Schleifenbaum das Team der Jungen Kirche Gießen vor. Danach erweist sich lebendiges Gemeindeleben als gestaltende Teilhabe am Leben der Menschen im unmittelbaren sozialen Umfeld. Dass diese Teilhabe auch die Verantwortung für die Natur, also auch die Sorge um Pflanzen und Tiere einschließt, erläuterte die Theologin Elfriede Dörr aus Sibiu, dem siebenbürgischen Hermannstadt.

Teilhabe kann aber auch bedeuten, dass Kirche als Lobbyistin auftritt für diejenigen, die sonst im politischen und gesellschaftlichen Alltagsgeschäft leicht übersehen werden. Damit meint Anne- Sophie Wislocki Menschen in Armut oder mit Behinderungen. Sie arbeitet bei Eurodiaconia, dem europäischen Dachverband der Diakonischen Werke in Brüssel. Wie queere Personen in kirchliche Arbeitsbereiche und kirchliches und gesellschaftliches Leben eingezogen werden können, und wie spannungsreich das Ringen um deren Teilhabe oft ist, diskutierte Thorsten Dietz, der als Hochschullehrer in Marburg und Zürich lehrt, mit Pfarrerin Irène Schwyn aus Zug.

Diaspora und Friedensethik

Diese kontroversen, mitunter scheinbar widersprüchlichen Gesichtspunkte lassen sich gut auf einem theologisch bestimmten Punkt zusammenführen: dem der Diaspora, meinte der österreichische Pfarrer Marcus Hütter. Er sieht Kirche nicht nur als Ort oder als klar umrissene Gruppe, ja unter Umständen in der Situation einer Minderheit. Für Hütter ist Kirche, auch wenn sie zahlenmäßig nicht klein ist, immer in die Gesellschaft zerstreut, eingestreut in die jeweiligen Lebens- und Arbeitsverhältnisse der einzelnen Gläubigen. Darin liege eine große Chance und Aufgabe. 

Wie sich Thema von „Teilhabe und Protestantismus“ konkret am Beispiel einer christlichen Friedensethik darstellen kann, war das Thema der letzten Digital Academy, wo die Privatdozentin Christine Schliesser und der Theologe Dieter Baumann, der zugleich Mitglied des Generalstabs der Schweizer Armee ist, die Frage am Beispiel des aktuellen Kriegs in der Ukraine diskutierten. Einen gerechten Krieg kann es demnach nicht geben, wohl aber legitime Gründe. Daher gelte es, die Argumentationen zu widerlegen, die den Krieg als gerecht oder gar religiös legitimiert darstellten. 

Abschließende Tagung im siebenbürgischen Hermannstadt

Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Jungen Theologie in Europa treffen sich abschließend vom 12. bis 15. April im siebenbürgischen Hermannstadt. Dort geht es um die Frage, wo sich protestantische Einflüsse in den europäischen Gesellschaften zeigen und wo Protestantismus tatsächlich sichtbar wird. Begonnen hatte das Forum im November 2021 mit einer ersten Digital Academy und fortgesetzt mit einer Tagung im Mai 2022 in Wien. Alle Schritte und Aspekte des „Forums Junge Theologie in Europa“ zeigt die Internetseite www.young-theology.eu in 13 Sprachen.


Autor:
Privatdozent Dr. Volkmar Ortmann
volkmar.ortmann@evangelischer-bund.de