„Wir sind eine ökumenische Haftungsgemeinschaft“. Damit beschrieb Generalvikar Andreas Sturm die Tatsache, dass die Sorgen, Probleme und Skandale um die katholische Kirche „auch den Evangelischen angelastet werden“ und nicht nur den Katholiken. Eingeladen hatte den Gast aus dem Bistum Speyer der Evangelische Bund Hessen zum Johannisempfang, der in diesem Jahr als Zoom-Konferenz stattfand.
„Wir brauchen in der Kirche ein neues Machtgefüge, Erneuerung unserer Sexuallehre und mehr Frauen in Leitungsfunktionen.“ Der Stellvertreter des Bischofs von Speyer zitierte Kardinal Marx, wir seien an einem „toten Punkt“ angelangt, der in aller Deutlichkeit sage, dass es so nicht weitergehen könne. Sichtbar seien die Rückgänge bei den Gottesdienstbesuchen, bei den Mitgliederzahlen sowie die Rückgänge der Mitarbeiterschaft. Es gäbe viel Frust und Enttäuschung, weil es nicht vorangehe.
Systemische Ursachen
Immer wieder unterbinde Rom den Diskurs: Alternative Leitungsmodelle würden nicht zum Zuge kommen. Er sei über diese Verlautbarungen enttäuscht. „Am meisten treibt mich die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs um.“ Im Bistum Speyer gäbe es mindestens 186 Betroffene. Sturm „erschüttert zutiefst, dass Schutzbefohlenen Gewalt zugefügt worden ist“. Das seien nicht einfach Straftaten Einzelner, sondern es gäbe „systemische Ursachen“.
Die Kirche scheine sich selbst im Wege zu stehen. „Wir verdunkeln das, was auch durch uns zum Leuchten kommen soll.“ Sturm setzt große Hoffnungen auf den deutschen Synodalen Weg, der unumkehrbar sei. So habe er mit Kardinal Marx die österliche Hoffnung, dass der „tote Punkt“ zum Wendepunkt kommt.
Drei Forderungen
Drei Forderungen nannte Andreas Sturm: Zum ersten einen „schonungslosen Blick auf die Wirklichkeit“, dazu gehöre auch das Eingeständnis, dass wir viele Krisenphänomene selbst verschuldet hätten. Zum zweiten die „Neubesinnung auf unseren grundlegenden Auftrag“. „Nur wenn wir vom hohen Ross kirchlicher Selbstgenügsamkeit absteigen, … nur dann sind wir Kirche Jesu Christi“. Zum dritten müssten „echte und durchgreifende Reformen stattfinden“. Diese stünden auf der Agenda.
Im Gespräch mit Martin Bräuer, dem Catholica-Referenten des Konfessionskundlichen Instituts in Bensheim, sprach Sturm seine Hoffnung auf einen Synodalen Weg auf Weltebene aus. Schließlich sei das Leiden an der Kirche kein deutsches Problem. Auf Bräuers Frage, wie man die sehr unterschiedlichen Lebenskonzepte von Christen in einer weltweiten Kirche zentralistisch regeln könne, gab Sturm zu bedenken, dass man sich die Kirche größer denken müsse als die Römisch-Katholische Kirche. Schließlich würden auch die mit Rom unierten Kirchen des Ostens den Papst als Oberhaupt anerkennen.
Ökumenische Zukunft
Dieser Schatz gehöre auch zur Katholischen Kirche: „Daraus sehen wir, dass wir unterschiedlich sein können und zugleich unter dem selben Dach sind.“ „Die Zukunft der Kirche kann nur ökumenisch sein.“ Je mehr wir uns füreinander öffnen würden, desto eher fänden wir Lösungen für die anstehenden Fragen. Nur gemeinsam können wir die toten Punkte überwinden, an denen unsere Kirchen leiden.
Einmal im Jahr lädt der Evangelische Bund Hessen zum Johannisempfang ins Konfessionskundliche Institut nach Bensheim ein, mit einem Vortrag in den Bibliotheksräumen und Imbiss im Garten. In diesem Jahr fand der Empfang als Zoom-Konferenz statt.