
Bei der Verleihung des Hochschulpreises des Evangelischen Bunde Hessen im Rahmen des Johannisempfangs am 27. Juni gab es in diesem Jahr eine Premiere: Zum ersten Mal wurde der Preis an ein Mitglied der griechisch-orthodoxen Kirche verliehen. Evangelos Tses erhielt den Preis für seine Arbeit: „Bonhoeffer als ökumenischer Theologe. Evangelische und orthodoxe Theologie im Dialog“.
Evangelos Tses wurde in Athen geboren und wuchs in Baden-Württemberg auf. Nach einem Bachelor-Studiengang in Geschichte an der Philipps-Universität Marburg nahm er 2022 das Master-Studium in Geschichts- und Kulturwissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Gießen auf. Im Nebenfach blieb er dabei seinem angestammten Fachgebiet, der Geschichte, treu. Als Hauptfach wählte er die Evangelische Theologie, was zu der Abfassung der nun prämierten Arbeit führte.
Die Idee zu seiner Arbeit entwickelte Evangelos Tses bei der Beschäftigung mit der Frage nach der Erkenntnis Gottes, insbesondere mit einem biblischen Vers aus dem 1. Johannes-Brief: Wer liebt, erkennt Gott. Wer nicht liebt, erkennt Gott nicht, da Gott Liebe ist. Da Liebe auch die Grundlage kirchlicher Gemeinschaft ist, stellte Tses hier eine enge Verbindung fest: „Gotteserkenntnis erfolgt als Resultat der Liebe in der Kirche.“ In Bonhoeffers Werk Sanctorum Communio (Gemeinschaft der Heiligen), das auf Ekklesiologie (also Reflexion über Gemeinschaft und Kirche), Verantwortungsethik und Offenbarung fokussiert, fand er dann einen idealen Anknüpfungspunkt: „Bonhoeffer qualifiziert zum einen die Liebe als Gabe Gottes und dezidiert als Handlung für den Nächsten, wodurch Kirche sich überhaupt erst konstituiert, zum anderen stellt er Offenbarung in Abhängigkeit zur Kirche – Offenbarung vollzieht sich in der Kirche – womit er ebenfalls den erkenntnistheoretischen Bogen schlägt, der überhaupt erst eingangs mein Interesse geweckt hatte.“
In Anknüpfung auch an Gregor von Nazianz, einem der großen Kirchenväter des 3. Jahrhunderts, meint Tses: „Theologe ist nicht, wer die Hände faltet und die Zunge bewaffnet, sondern wer liebt. Und damit ist für mich klar: Theologie und Ethik müssen Hand in Hand gehen.“
In seiner Laudatio würdigte Prof. Dr. Karl Pinggéra die Arbeit und ihren Autor, der mit profunder Sachkenntnis und einem eigenständigen Ansatz gekennzeichnet sei. Die Arbeit rege auch an, über das Motte des Konfessionskundlichen Instituts des Evangelischen Bundes, in dessen Räumen die Preisverleihung stattfand, nachzudenken: „Den nächsten Kennen wie sich selbst“: „Er, der Orthodoxe, kennt uns so gut, wie wir selbst. Wir lernen uns bzw. einen prominenten Vertreter unserer Tradition dadurch besser kennen. Der nächste Schritt wäre das Zurückspiegeln an den orthodoxen Gesprächspartner, ob er nun auch seine Tradition von Bonhoeffer her in einem neuen Licht sehen kann. Diesen Schritt geht die Arbeit selbst nicht mehr. Sie lädt aber dazu ein, miteinander in diese Richtung weiterzugehen und weiterzudenken.“
Die Urkunde zum Hochschulpreis wurde Evangelos Tses durch Prof. Dr. Christiane Tietz, Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau überreicht – selbst eine ausgewiesene Bonhoeffer-Expertin.
Der Dialog zwischen verschiedenen Theologien und Kirchen ist Evangelos Tses wichtig – nicht zuletzt, weil dieser Dialog dank seiner evangelischen Ehefrau zu seinem Alltag gehört. Auf die Frage, was evangelische und orthodoxe Kirchen jeweils voneinander lernen können, wünschte er sich von der orthodoxen Kirche, sich ein Beispiel an der Medienpräsenz und dem öffentlichen Auftreten der evangelischen Kirche zu nehmen, da die Kirche jeden erreichen und überall wirken müsse und keine Räume vernachlässigen dürfe. Der evangelischen Kirche gab er mit auf den Weg, auch von orthodoxer Ekklesiologie zu profitieren, „indem sie den Charakter von Kirche als Gemeinschaft des Menschen mit Gott stärker hervorhebt, damit Kirche gesellschaftlich weniger als menschliche Institution wahrgenommen wird, sondern als lebendiger Organismus, der Menschen in Gott miteinander verbindet.“